Bevor ich den Tankwärter sehe, höre ich sein Keuchen, dann das eiliges Rufen. Die Worte schießen nur so aus ihm heraus, wie bei Menschen, die sich etwas zu lange mitangesehen haben: „Das macht man aber nicht!“ Dann erst sehe ich ihn: Mitte 40, leicht untersetzt, die kurzen, braunen Haare zu lange nicht mehr gewaschen. Mein Herzrhythmus beschleunigt sich, das ist immer so bei mir, wenn ältere Menschen wütend auf mich zukommen, um mich in meinem Handeln zu belehren. „Das ist eine Tankstelle und keine Waschanlage!“, ärgert er sich weiter. Bei seinem pampigen Tonfall würde ich ihm am liebsten den abgenutzten Gummi-Fensterwischer mit dem schmierigen Holzstil an seine fettige Stirn knallen, mit dem ich soeben unser komplettes Auto geputzt habe. Wir kamen aus dem Sommerurlaub zurück, es war staubig im warmen Süden und der Tank leer, wieso also nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Und sowieso, dafür muss ich mich gar nicht rechtfertigen.
Aber nur der Vollständigkeit halber:
Während mein Freund also tankt, beginne ich die Fensterscheiben zu putzen. Und während unsere drei Freunde alle noch einmal aufs Klo gehen, wische ich auch die Scheinwerfer ab, schließlich den Lack. Und weil das so viel Spaß macht (und zu einem besseren Ergebnis führt) bekommt das Auto danach noch eine extra Ladung Wasser aus der grauen Plastikgießkanne, die ja aus diesem Zweck daneben steht, oder etwa nicht?
„Ich habe mir das jetzt lange genug angeschaut! Wer bezahlt mir denn die Trockenlegung der Tankstelle? Das ist alles nass! Total gefährlich! Wenn da jemand ausrutscht!“ Ich betrachte die Schweißflecken, die sich stolz auf seinem ausgewaschenen Tchibo-Shirt ausbreiten und frage mich, wann er das letzte Mal so richtig glücklich war. Muss lange her sein.
Beispiele wie diese könnte ich etliche aufzählen. Ganz besonders bei jungen Frauen meinen die Leute, das Recht zu haben, sie zu belehren, was sie wie machen dürfen – zum Teil mit einer Respektlosigkeit, die einen sprachlos macht.
- So läuft man aber nicht auf der Straße rum!
- So etwas sagt man nicht!
- Das macht man aber anders!
Ja und? Ist mir doch vollkommen egal, wie und ob MAN das macht, ich mache das zumindest so!
Eine Frage drängt sich mir schon länger auf:
Hätte der Tankwart so mit meinem 58-jährigen Vater gesprochen? Mit meinem Großvater? Im Leben nicht. Eventuell hätte er sich getraut, ihn anzusprechen. Aber dann wäre die Wort- und Tonwahl eine ganz andere gewesen.
Und noch etwas bemerke ich, wenn ich von wildfremden Leuten zeigefinger-fuchtelnd bevormundet werde: Es sind immer die schlechtgelaunten, unzufriedenen Menschen. Diejenigen, die immer mit zusammengezogenen Augenbrauen durch die Welt gehen. Auf der Suche, an irgendjemandem die ganze Scheiße abzulassen, die ihnen wiederfahren ist. Sehen sie irgendjemanden, der aus der Norm fällt, können sie nicht anders, als loszumeckern.
Klar, in jeder Gesellschaft gibt es Regeln und Richtlinien, die vorgeben, wie wir uns verhalten müssen/ sollen und die meisten davon sind nachvollziehbar und sinnvoll. Trotzdem müssen wir mal ein bisschen lockerer werden und unseren chronischen Bluthochdruck runterfahren. Einmal tief ein- und ausatmen und dabei denken: Na und, soll sie doch.
Der Tankwart bekam übrigens ein knappes „Okay“ von mir zur Antwort. Hilft am besten habe ich gelernt. Rumdiskutieren bringt bei denen eh nichts. Sobald er wieder in seinem Häuschen an der Kasse stand, habe ich die Küchenrolle genommen – wunderbar, dass die auch noch neben dem Gummi-Fensterwischer und der Gießkanne steht – und in aller Seelenruhe das Auto trocken gewischt. Den größten Triumph, den man solchen Menschen nämlich geben kann, ist ihnen zu gehorchen.
13 Dinge, die man nicht tut
1. Man läuft nicht in Unterwäsche draußen herum
2. Man klettert nicht auf Häuserdächer
3. Man räumt nicht oben ohne die Wohnung auf
4. Man liest keine Bücher im Stehen auf dem Gehweg
5. Zum Wandern trägt man kein schwarzes Slipdress und schon gar keine Schuhe mit Absatz
6. Man darf nicht einfach irgendwo wild Campen
7. So vulgär sitzt man nicht da und isst ein Eis – in Unterhose!
8. In einem Minikleid bückt man sich nicht
9. Man läuft nicht mit einem Loch in der Hose herum
10. Man hält nicht den Verkehr auf, weil man knutschen möchte
11. Man klettert nicht über Zäune
12. Man fährt nicht in High Heels auf einem Skateboard
13. und schon gar nicht fährt man zu zweit auf einem Fahrrad… und hat dann auch noch Spaß dabei!
Alle Bilder via https://www.instagram.com/lesparisiennesdumonde/
Du sprichst mir mal wieder aus der Seele! Ich wundere mich auch jedes Mal auf’s Neue wie garstig und respektlos die Leute mich wegen Bagatellen anraunzen. Freu nach dem Motto „Junge Dame, so geht das aber nicht!“ Letztes Jahr wurde ich von einem älteren Ehepaar in einer Gartenwirtschaft ANGESCHRIEN, weil ich meinte Mutter zu einer Geburtstagsfeier gebracht und mich noch eine Minute mit laufendem Motor mit dem Geburtstagskind unterhalten hatte („Eine verdammte Frechheit ist das“). Und wenn keine Worte ausgetauscht werden, so erntet man doch zumindest häufig einen bitterbösen Blick, etwa wenn man das Auto zwar innerhalb der eingezeichneten Parkfläche abgestellt hat, der Fahrer des benachbarten Autos sich beim Einsteigen jedoch sehr zierlich machen muss. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn mehr Menschen ihr Leben nach dem Motto „leben und leben lassen“ gestalten würden…
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Hahaha! So sind sie, die Deutschen. Ist doch irgendwie eine typisch deutsche Eigenschaft. In Lateinamerika ist mir das zum Beispiel kein einziges Mal passiert und hierzulande vergeht keine Woche, ohne dass irgendjemand meint, mich korrigieren zu müssen. Wir sollten uns ein T-Shirt drucken lassen. „Mind your own business“ oder so 😀
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Andren Länder andre sitten, oder?
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Das Loch in der Hose ist schön :-)))
Ich denke auch das hier sehr vieles sehr angespannt gesehen wird , anderseits denke ich aber auch das gewisse Regeln eingehalten werden…wenn ich bei Grün mit meinem Sohn über die Fussgängerampel gehe möchte ich das der Autofahrer hält (passiert leider immer öfter mal nicht), auch haben Radfahrer in hoher Geschwindigkeit nichts auf dem Fussweg zu suchen …und das Argument : ich will nur schnell Brötchen holen ist nicht geeignet den Radweg zuzuparken…will sagen : jeder so wie er möchte aber nicht auf Kosten des anderen…und ein bisschen Rücksichtnahme und Mitdenken schadet nie…wie bitte , ich verstehe nicht, wieso seit 4 Stunden düsenlärmtaugliche Technobeats aus meiner Wohnung schallen…werde doch wohl noch meine Lieblingsmusik hören dürfen 🙂
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Haha! Da hast du natürlich recht. Deshalb habe ich ja geschrieben, dass gewissen Richtlinien und Gesetze gut und richtige sind. Mir ging es ja mehr um diese Motzbürger, die meinen, sich in alles einzumischen. Ganz besonders, wenn es sich um Frauen handelt, weil viele vor ihnen leider weniger Respekt als vor einem Mann haben…
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Das stimmt, manche Männer denken nur weil eine Frau vor ihnen steht könnten sie sich fast alles rausnehmen ….dabei sind die Zeiten wo der Mann das alleinige Sagen hatte zum Glück vorbei ( man bedenke wieviel Kriegs-und sonstige Katastrophen diese Einstellung zur Folge hatte)… deshalb, den ewiggestrigen ruhig Kontra geben…das gilt dieser Tage auch noch in anderen Zusammenhängen….
Grüsse von Jürgen
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